Sinn und Unsinn anonymisierter Bewerbungen

Die in den letzten Wochen immer wieder angestoßene Diskussion über anonymisierte Bewerbungen wirft wieder Fragen über Sinn und Unsinn derselben auf.

Was verrät ein Foto? Neben dem Aussehen sind es noch weitere personenbezogene Informationen wie Alter, Geschlecht oder Herkunft. Auch ein Name lässt viel Raum für Interpretation, genauso wie das Geburtsdatum, der Geburtsort oder der Familienstand. Wenn wir Informationen aufnehmen, ordnen wir sie automatisch in bestehende Denkschemata ein. Bei jedem Menschen, den wir neu kennenlernen, knüpfen wir sofort Assoziationen – die in Zuschreibungen münden. Ob wir wollen oder nicht, das Gehirn denkt Dinge wie „die hübsche Frau ist sicher nicht sehr intelligent“ oder „der ältere Bewerber nicht so leistungsfähig“.

Aus diesen Vorurteilen, sogenannten Unconscious bias,  können sich Personalentscheidungen ergeben, die Menschen benachteiligen, weil Bewerber/innen aufgrund von Zuschreibungen schon zu Beginn abgelehnt werden. Das ist nicht nur diskriminierend und durch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verboten. Es verstärkt auch die Homogenität in der Belegschaft – inmitten einer heterogenen Umwelt – nicht gerade ein Wettbewerbsvorteil.

Eine der Möglichkeiten, den Kreislauf aus Vorurteilen, Nicht-Wissen und weiter bestehenden Vorurteilen aufzuheben, bieten anonymisierte Bewerbungsverfahren. Im Lebenslauf auf wesentliche Informationen beschränkt, werden Bewerber/innen hier nur Ihre Qualifikation preisgeben und alles, was auf ein AGG relevantes Kriterium verweist, wird einfach weggelassen. Auf der einen Seite können sich dadurch die Chancen einzelner Bewerber/innen erhöhen, eingeladen zu werden – auf der anderen Seite könnte sich aber eine diskriminierende Auswahlentscheidung auch einfach – nach etwas mehr Aufwand – auf einen späteren Zeitpunkt verschieben. Ein viel wichtigerer Ansatzpunkt für ein diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld ist deshalb die Unternehmenskultur. Hier ist es wichtig, den Wert von Vielfalt in der Belegschaft anzuerkennen und ein diskriminierungsfreies, diversitygerechtes Arbeitsumfeld zu fördern.

Vicki Kormesch

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