Die große Schlagzeile der zweiten Mai-Ausgabe der ZEIT lautete: „Wird die Welt wieder männlicher?“ Die April-Ausgabe der ELLE griff das Thema auf mit dem Titel: „Vollkommen – unvollkommen. Nach außen zeigen wir uns gerne stark…“
Was ist dran an diesem neuen Männlichkeitswahn, der Frauen in ihrer Selbstbestimmung und gesellschaftlichen Anerkennung zurückzuwerfen droht? Müssen Frauen tatsächlich „männlicher“ werden, um in einer alten neuen Männerwelt zu bestehen? Müssen Männer wiederum noch männlicher erscheinen – doch was heißt das eigentlich? Hand aufs Herz: Wer kennt sie nicht, diese Sprüche aus Kindertagen? „Ein Indianer kennt keinen Schmerz!“ „Sei ein Mann – stell dich nicht so an!“
Vor allem den Ü50 unter uns dürften diese Sätze noch im Ohr klingen. Gefühle wie Angst, Unsicherheit oder Sorgen hatten keinen Platz – sie wurden verdrängt, versteckt, „fortbidden“. Stattdessen galt: Stärke zeigen, keine Schwäche zeigen, kein Risiko eingehen. Männlichkeit bedeutete, sich unverwundbar zu geben. Doch macht uns das wirklich stärker? Oder nur unnahbarer? Fachleute für zwischenmenschliche Beziehungen vertreten heute eine andere Auffassung: Verletzlichkeit ist keine Schwäche, sondern eine Form von Mut. Sie ermöglicht Nähe, Vertrauen – und damit echte Beziehungen. Vielleicht kennen Sie das: Ein Mensch öffnet sich Ihnen überraschend, spricht über seine Sorgen, lässt seine Fassade fallen. Und plötzlich empfinden Sie Respekt, Mitgefühl – vielleicht sogar Bewunderung.
So fühlt er also. So denkt sie. Auf einmal wirkt dieser Mensch greifbar, menschlich – authentisch. Und genau das schafft Nähe. Wer sich öffnet, macht sich zwar angreifbar – aber auch berührbar.
Unvollkommenheit erzeugt Verbindung. Studien bestätigen das: Wenn wir es wagen, unser Inneres zu zeigen, stoßen wir oft auf Resonanz.
Wir begegnen uns als Menschen.
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