Selaestus bewegt Karrieren – insbesondere die von weiblichen Führungskräften. In der Geschichte hat es viele bemerkenswerte Frauen in Führungspositionen gegeben, an die sich heute leider kaum jemand erinnert. Das wollen wir ändern.
Kennen Sie bspw. „Frau Bauhaus“?
In München der frühen 20er Jahre lernt Ise Frank, eine Berliner Buchhändlerin und Rezensentin, den Rebellen-Architekten Walter Gropius kennen. Sie steht seiner Bauhaus-Idee und der Weimarer Lehranstalt zunächst sehr kritisch gegenüber – wie viele ihrer Zeitgenossen, lässt sich jedoch nach intensiver Auseinandersetzung mit seinem Konzept überzeugen und begeistern. Die Bauhaus-Idee wird zu ihrem zweiten Ich. Sie verlässt 1923 ihre erfolgversprechende Position in einem Münchner Verlag und entscheidet sich für die moderne Architektur- und Designwelt – und für Gropius. Gropius „braucht Ise“, das schmeichelt ihr. Zugleich weiß sie, dass sie ihr Talent zum Beruf gemacht hat, hervorragend schreiben und seine Reformschule meisterlich in Bild und Szene setzen kann. Sie arbeitet als Journalistin und Autorin, begreift das Bauhaus als gemeinsamen Lebensauftrag und befördert mit ihrer öffentlichkeits-wirksamen Arbeit maßgeblich die Entwicklung des Bauhauses. Sie „macht“ das Bauhaus, indem sie es beschreibt. Mit Gropius wohnt sie im sog. Meisterhaus. Sie richtet das erste „Haus der emanzipierten Frau“ ein, inspiriert durch Ideen der damals aufkommenden amerikanischen Ergonomielehre. Ihr gelingt die Rationalisierung der häuslichen Arbeits-abläufe mit vollautomatisierten, elektrisch betriebenen Service-Maschinen wie Spülmaschinen, Heißluftspülern usw. Die gewonnene Zeit investiert sie direkt wieder in ihre beruflichen Aktivitäten, das Schreiben über den Paradigmenwechsel in Design und Architektur, über Breuers Freischwinger, Brandts Teekanne, Wagenfelds Glaslampe. Mit ihren Marketing- und Markenkampagnen bewahrt sie das Bauhaus vor dem Bankrott, sie befördert die Etablierung und den Ausbau am neuen Standort Dessau, und unterstützt schließlich – nach der politisch erzwungenen Schließung des Bauhauses 1930 – den erfolgreichen Transfer der Gestaltungs- und Lehrideen in die USA. Dort stirbt sie in der Emigration 86-jährig, 14 Jahre nach Gropius.
Ihr Name ist heute vergessen, obwohl Ise Frank dafür gesorgt hat, dass die Gestaltungs- und Lehrideen des Bauhauses nicht nur den Nationalsozialismus überdauert haben, sondern weit darüber hinaus und international Verbreitung fanden. 100 Jahre Bauhaus! Herzlichen Glückwunsch an Ise Frank, der leidenschaftlichen Förderin und Wegbegleiterin der Rebellen-Architektur.
Dr. Regina Ruppert
Und wenn Sie mehr über Ise Frank erfahren möchten, empfehle ich: „Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus – Das Leben der Ise Frank“ von Jana Revedin, DuMont Buchverlag 2019
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